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ILDC Colloquium in Den Haag

Im Friedenspalast in Den Haag fand am 27. und 28. März 2008 die internationale Konferenz „First International Law in Domestic Courts (ILDC) Colloquium“ anlässlich der einjährigen erfolgreichen Markteinführung der ILDC-Datenbank mit völkerrechtlich relevanten nationalen Gerichtsentscheidungen statt. Das ILDC Colloquium wurde im Wesentlichen aus Mitteln des europäischen COST-Programms (European Cooperation in the Field of Scientific and Technical Research) finanziert. Das Amsterdam Center of International Law (ACIL) der Universität Amsterdam (Rechtswissenschaftliche Fakultät) zeichnete für die Organisation verantwortlich. Noch vor dem Empfang der rund 180 Teilnehmer fanden Besprechungen des ILDC Redaktionsausschusses, des „COST Management Committees“ sowie Sitzungen der Arbeitsgruppen zu den Themen „Rule of Law in International Law" sowie “The Hierarchy in International Law" statt.
Nach den Einleitungsworten von Prof. André Nollkaemper (Universtät Amsterdam) eröffnete der Justizminister der Niederlande, Ernst Hirsch Ballin am Donnerstag, 27. März 2008, das ILDC Colloquium.
Der Vortrag von Prof. Rosalyn Higgins über „The changing position of domestic courts in the international legal order" bot einen Überblick über rezente völkerrechtliche Staatenpraxis.   Als Beispiele für die wachsende Bereitschaft nationaler Gerichte zur Rezeption von Völkerrecht wurden schwerpunktartig Entscheidungen europäischer Gerichte im Bereich der Staatenimmunität behandelt sowie auf die jüngsten Judikate des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten von Amerika Bezug genommen. 
Am Freitag, 28. März 2008, wurden drei „Panel Sessions" abgehalten.
Das Vormittagssymposion unter dem Vorsitz von Prof. Christof Heyns (Universität Pretoria) zum Thema „International Law in three domestic jurisdictions: France, India and Russia" untersuchte im Dialog zwischen angesehenen Experten aus Frankreich, Indien und der Russischen Föderation aktuelle Entwicklungstendenzen der Anwendung von Völkerrecht im innerstaatlichen Kontext. Der Vortrag „The Law and Practice in France: General Issues and Recent Developments" von Roger Errera (Conseil d’Etat) stellte zunächst die Stellung des Völkerrechts im französischen Rechtssystem dar, bezog sich auf richterliche Methoden zur Ermittlung und Anwendung von völkerrechtlichen Normen sowie der französischen Staatenpraxis zur EMRK.
Bakhtiyar Tuzmukhamedov (Diplomatische Akademie Moscow) nahm in seinem Vortrag “International Law in the Russian Constitutional Court" auf die Rolle des Verfassungsgerichtshofs der Russischen Föderation bei der Anwendung von Völkerrecht Bezug, und referierte über die durch die Verfassung vorgegebene “Schutzfunktion" im Verhältnis zur innerstaatlichen Anwendung von Völkerrecht sowie über menschenrechtliche Aspekte im ausgewählten Judikaten. Die Präsentation von Prof. Surinder Kaur Verma (Universität Delhi) “International Law in Domestic Courts in India" unterstrich insbesondere Gemeinsamkeiten und Unterschiede der indischen Rechtsordnung im Verhältnis zur britischen Praxis. Als Beispiele für das Zusammenspiel zwischen im innerstaatlichen und völkerrechtlichen Kontext entwickelte Konzepte führte sie Beispiele im Menschenrechtsbereich und Umweltschutzrecht an. 
Das Mittagspanel zum Thema “Domestic courts and the international rule of law" unter dem Vorsitz von Prof. Sienho Yee (Xi’an Jiaotong University) widmete sich – unter Berücksichtigung der themeninherenten methodischen Herausforderung – dem Beitrag der Gerichtpraxis zum Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit im internationalen Kontext. Lord Thomas Henry Bingham (Senior Lord of Appeal in Ordinary) untersuchte in diesem Zusammenhang die Al-Jedda Entscheidung des englischen Oberhauses zur Inhaftierung einer Einzelperson durch britische Streitkräfte im Irak. Er unterstrich insbesondere Zurechnungsprobleme der Handlungen der Streitkräfte gemäß UNSR Resolution 1546. Außerdem behandelte Lord Bingham die Frage einer mutmaßlichen Verletzung der in nationales Recht (UK Human Rights Act 1998) umgesetzten EMRK. Ausdrücklich wurde auf die Straßburger Urteile Behrami und Saramati eingegangen.
Im Anschluss behandelte Richter Mark Villiger (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) in seinem Vortrag “Domestic Courts and the International Rule of Law" die Position des Gerichtshofs. In seiner umfassenden Analyse der Rechtsprechung betonte er insbesondere die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips im gegebenen Zusammenhang.
Am Nachmittag fand das Symposion zum Themenkomplex “Domestic courts and hierarchy in international law" unter dem Vorsitz von Prof. Claudia Martin (American University Washington) statt, das sich insbesondere dem Wandel der Bewertung von Völkerrechtsnormen im Lichte der ius cogens-Problematik widmete.
In ihrem Vortrag “Action and Reaction: Hierarchy, Advocacy and the United States Federal Courts" setzte sich Prof. Dinah Shelton (George Washington University) mit dem Zugang der US-Gerichte auseinander. Prof. Erika de Wet (Amsterdam University) behandelte in der Präsentation “The Emergence of Hierarchy in International Law through the Practice of European Courts: Towards Constitutionalization or Fragmentation" die Möglichkeit der Überprüfung von UN Sicherheitsratsresolutionen durch nationale Gerichte unter Berücksichtigung der jeweiligen Schwere der menschenrechtlichen Auswirkung.
Der Schlussvortrag von Prof. Eyal Benvenisti (Tel Aviv University) zum Thema “Judicial Checks and Balances: The Emerging Balance of Power Between International and National Courts" erklärte die wachsende Zahl der völkerrechtlich relevanten innerstaatlichen Judikatur aus politikwissenschaftlicher Sicht als Reaktion auf die zunehmende Globalisierung. Trotz der besonderen Bedeutung des Dialogs zwischen innerstaatlichen und internationalen Gerichten führe dieser nicht notwendigerweise zu einer Rechtsangleichung in allen Bereichen.

International Law in Austrian Courts
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